Vom Loslassen und Abschiednehmen

Als ich Spiritfarer das erste Mal startete, wusste ich eigentlich, worauf ich mich einlasse: Ein Spiel über das Loslassen und Abschiednehmen. Es sollte ein eher gemütliches Abenteuer sein, mit Farming-Elementen, Crafting, dem Base Building auf einem Boot und den verschiedenen Geschichten , die sich allesamt um den Tod der geliebten Figuren drehen. Klingt vielleicht seltsam, funktioniert aber sehr gut und Spiritfarer bietet hier etwas sehr besonderes, das dir nah ans Herz geht oder es mehr als einmal zerreißt.

Management und Meditation

In Spiritfarer spielt man eine sogenannte Fährfrau namens Stella. Sie begleitet die Seelen Verstorbener ins Jenseits und kümmert sich um sie, bis sie wirklich soweit sind, hinüberzugehen. An Stellas Seite ist die katzenartige Gefährtin Daffodil und man reist per Boot über eine malerische Weltkarte. Es gilt Felder anzubauen, Gerichte zu kochen, Kabinen zu verbessern und sich um um die Bedürfnisse der Gäste zu kümmern, denn jeder davon kommt in einer zum Charakter passenden Tiergestalt und einer eigenen, sehr persönlichen Geschichte daher.

Das Spiel ist angenehm entschleunigt. Nichts drängt wirklich zur Eile und man kann das Spiel auf die eigene Art und Weise genießen. Es lässt einem Zeit, um die Beziehungen zu den Seelen aufzubauen, sie kennenzulernen und ihre Geschichten zu erleben. Und selbst sowas wie das Anpflanzen von Baumwolle, das Fischen oder das Garen eines Kürbis-Risottos wirken nicht stressig oder repetitiv, sondern fast schon meditativ.

Eine verzaubernde Reise

Spiritfarer bietet einen zum Verlieben schönen Art Style und die handgezeichneten Animationen zeigen deutlich, wie viel Herz und Mühe die Entwickler in dieses Spiel gepackt haben. Vom sanften Wogen des Meeres über die funkelnden Nachtfahrten bis zu den vielen kleinen Details an Bord, aber auch an Land. Jedes Gebäude und vor allem jede Figur hat eine eigene Persönlichkeit.

Der Soundtrack ist ebenfalls ein wahres Meisterwerk. Ruhige Klavierklänge, sanfte Streicher und melancholische Melodien untermalen jede Szene perfekt. Und es ist nicht nur Hintergrundmusik. Zusammen mit dem gesamten Sounddesign, leben die Geschichten gerade von der herausragenden Klangkulisse. Besonders bei den Abschiedsszenen, wenn eine Figur bereit ist, ins Jenseits überzutreten, wechselt der Ton zu einer herzzerreißenden Mischung aus Hoffnung und Wehmut und Dank des wirklich unglaublich gelungenen Sounds, der das sich öffnende Tor begleitet, fühlt man gerade an diesen Stellen enorm mit. Es sind ohne Zweifel die emotionalsten und audiovisuell stärksten Momente des Spiels.

Ein weiteres klangliches Hightlight sind die Sternenregen. Glücklich hüpfende Musik untermahlt das Ereignis und passende Sounds funkeln verspielt durch deine Ohren. Es macht ohnehin schon sehr viel Spaß hinter den Sternschnuppen herzujagen, aber gerade die Klänge und die Musik schaffen hier immer wieder ganz besondere Momente, in denen der Nachthimmel zu tanzen scheint.

Persönlich, ehrlich und gefühlvoll

Was mich aber wirklich gepackt hat, war die emotionale Ehrlichkeit. Thunder Lotus Games hat es geschafft, ein Spiel über das Sterben zu entwickeln, das sich nie schwer oder düster anfühlt. Die Figuren, die man begleitet, von der fürsorglichen Gwen bis zum lebensfrohen Atul (ein Herz für Atul!), sind nicht nur NPCs, sondern echte Persönlichkeiten. Ihre Geschichten sind vom echten Leben inspiriert, und man spürt, dass die Entwickler in diesem Speil auch eigene Verluste verarbeitet haben.

Und genau deshalb fühlt man mit. Man lacht, man lebt zusammen, man schenkt Umarmungen und irgendwann heißt es Lebewohl zu sagen. Immer wieder ein erstaunlich starker emotionaler Moment, aber die Figuren mit ihren Geschichten wachsen einem auch allesamt ans Herz man baut über die Zeit an Bord eine Verbindung mit den Charakteren auf, die weit tiefer geht, als man vielleicht zunächst annimmt.

Umarmung in Spieleform

Spiritfarer ist kein typisches Indie-Spiel. Es ist ein Kunstwerk, das entschleunigt und gleichzeitig tief bewegt. Es trifft mitten ins Herz und lässt einen die Geschichten und Schicksale unglaublich nah miterleben. Es wird ohne Zweifel für einige sogar ein friedenbringender Trostspender sein.

Für mich ist Spiritfarer eines der bewegendsten Spiele überhaupt und mit Sicherheit eins der hübschesten Games des Jahres. Wer in Spielen mehr als nur Unterhaltung und vielleicht sogar eine tiefgehende Erfahrung sucht, der sollte diese wundervolle und bereichernde Reise unbedingt antreten und sich auf den emotionales Tiefgang dieses Titels voll und ganz einlassen.

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YetiFrood

YetiFrood

YetiFrood ist Twitch-Streamer und selbständiger Content Creator mit einem großen Herz für Indiegames. Mit einem offenen Blick für besondere Spiele teilt er auf dieser Website seine ehrliche Meinung zu all den charmanten Pixelpartys, atmosphärischen Storyabenteuern oder auch packenden Sci-Fi-Welten aus den unterschiedlichsten Genres. Immer mit viel Herz, Humor und einer großen Portion Leidenschaft für besondere, grandiose und oft sogar herausragende Spiele.