Als ich die Demo von Eriksholm: The Stolen Dream im Rahmen des Steam Next Fest live in meinem Radar Alarm-Stream gezockt habe, war mir schnell klar, dass dieses Spiel ein echter Geheimtipp für Fans von taktischen Stealth-Games à la Desperados oder Shadow Gambit ist. Doch Eriksholm will nicht einfach nur ein weiterer Genrevertreter sein, es will berühren, erzählen und gleichzeitig fordern.

Die Jagd
Wir schlüpfen in die Rolle von Hannah, einer jungen Frau, die verzweifelt versucht, ihren verschwundenen Bruder Hermann zu finden. Ihm wird ein Diebstahl zur Last gelegt, und plötzlich steht auch sie im Fokus der Gendarmerie. Der Schauplatz: Eriksholm, eine fiktionale Stadt im Königreich Rosmark, inspiriert von Skandinavien und besonders vom Schweden des frühen 20. Jahrhunderts. Atmosphärisch dicht, irgendwo zwischen melancholischem Küstenflair und dem Charme vergangener Zeiten.

Der Einstieg der Demo ist richtig stark inszeniert: Eine unglaublich hochwertige Sequenz stellt die Hauptcharaktere vor, dann noch ein kurzer Blickwechsel zwischen Hannah und Hermann und plötzlich stürmt die Polizei brutal die Wohnung! Ab diesem Moment beginnt das eigentliche Spiel, eine Flucht aus dem Schatten und eine Reise in die Tiefe einer Stadt voller Geheimnisse.
Taktik und Puzzles
Keine Kämpfe und vor allem kein Schnickschnack! Nur du und dein Verstand. Eriksholm verzichtet komplett auf Gefechte, die hier auch absolut unpassend wären. Stattdessen schleichen wir uns durch Straßenzüge, Fabriken und über Dächer, immer auf der Suche nach dem nächsten sicheren Weg durch die Stadt. Wachen patrouillieren mit festen Routen, werden aber auch dynamisch aktiv, wenn etwas Verdächtiges geschieht. Man sollte also immer sehr gut die Situation beobachten, dann planen und schließlich handeln.
Ein Fehler? Sofort Game Over. Kein Kampf, kein Ausweichen, kein doppelter Boden. Diese Trial-and-Error-würde in anderen Spielen überhaupt nicht funktionieren, aber hier passt das ganz hervorragend. Es fühlt sich wie ein faires Puzzle an, bei dem man scheitern kann, aber auch sofort aus den Fehlern lernt, damit es beim nächsten Versuch dann alles klappt.
In der Vollversion sollen dann insgesamt sogar drei Charakter spielbar sein und für viele taktisch clevere Puzzle sorgen, vor allem wenn man zwischen Charakteren wechseln muss, da diese sich gegenseitig helfen müssen!


Linear, aber lebendig
Die Levelstruktur ist bewusst linear gehalten. Auch wenn sich die Stadt offen anfühlt und jede Kameraperspektive Lust auf Entdeckung macht, folgen wir meist einem klaren Pfad. Trotzdem, und das ist hier echt wahre Kunst, wirkt Eriksholm wie ein realer Ort. Die Geräuschkulisse, die Architektur, die ganzen NPCs im Hintergrund… alles trägt zu einer richtig schönen Immersion und Atmosphäre bei.
Einige Abschnitte bieten zudem kleine Gameplay-Twists wie das Minispiel, bei dem man ein Stromkabel bis zur richtigen Batterie-Station zurückverfolgen muss und dann mit einem Ladekran vier Batterien hineintransportieren muss. Auch wenn in dieser Szene das Risiko entdeckt zu werden fehlt, sorgen diese willkommenen Abwechslungen für zusätzlichen Spaß im Game Loop.
Skandinavisch schön und filmisch inszeniert
Die Grafik ist ohne Übertreibung einer der größten Stars von Eriksholm. Die fiktive nördliche Stadt strotzt vor Details, die Lichtstimmung ist wunderschön, und die Motion-Capture-Sequenzen in Zusammenarbeit mit Unreal Engines MetaHuman sind unglaublich hochwertig inszeniert. Besonders gefallen haben mir die feinen Mimiken und realistischen Bewegungen der Charaktere in Zwischensequenzen.

Untermalt wird das Ganze von einem stimmungsvollen Soundtrack, der mal leise pulsiert, mal unterschwellig Spannung aufbaut. Die Synchronsprecher leisten ebenfalls eine herausragende Arbeit. Alle Dialoge wirken sehr natürlich und besonders emotional. Dazu kommen die vielen Geräusche aus der Umgebung und all das bringt Eriksholm zum Leben, wie man es nicht oft in Spielen erlebt.
Man merkt wirklich, wie viel Herzblut und Mühe das 18-köpfige Team von River End Games in die Welt und das Spiel gesteckt haben.
So viel Lob, gibt’s auch Kritik?
Naja, mich persönlich hat die Demo sofort abgeholt und ich würde Folgendes nicht wirklich ankreiden, aber wer ein taktisches Sandbox-Erlebnis wie zum Beispiel Shadow Tactics oder Desperados III erwartet, vermisst eventuell die Spielmechaniken, die wiederum diese Spiele so fantastisch gemacht haben. Die Interaktionsmöglichkeiten mit dieser Welt sind eingeschränkt, alternative Lösungswege gibt es kaum. Doch nimmt man Eriksholm für sich und betrachtet, welcher Game Loop hier geboten wird, erkennt man, dass dieses Rätselspiel mit seinen durchdachten Stealth-Mechaniken alles richtig macht.
In Sachen Wiederspielbarkeit gibt es diverse sehr hübsch gestaltete Sammelobjekte, die man auch alle noch nachträglich alle über die Kapitelauswahl jagen kann. Doch das lineare Spieldesign lädt vermutlich nicht jeden zu mehreren Durchläufen ein, was letztendlich auch in Ordnung ist.
Das alles ist also keineswegs schlecht, aber es ist wichtig, mit der richtigen Erwartungshaltung ranzugehen. Für mich macht dieser Titel alles richtig und ich freue mich schon riesig auf die Vollversion!
Stilvoller Geheimtipp für Stealth-Fans
Eriksholm: The Stolen Dream ist ein feinsinnig erzähltes Indie-Erlebnis mit Stil und Substanz. Wer auf cineastische Präsentation, smarte Puzzles und pure Stealth-Mechaniken steht, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Die Demo hat mich mit ihren cleveren Elementen, der rundum außergewöhnlichen Eleganz und der emotionalen Tiefe der Charaktere und Story jedenfalls absolut begeistert! Ich bin sehr auf den Full Release gespannt und vermute, dass sich hier ein ganz großes Indiegame-Highlight des Jahres anbahnt.